Sibylle von der Teck
Lange, lange ist es her, da lebte in einer Höhle auf der Teck eine Frau, die Sibylle genannt wurde."
So beginnt die Sage von jener guten Seele, die tief unten im Sibyllenloch am Fuß des Teckfelsens wohnte. Sie war eine schöne und weise Frau, die den Menschen im Tal viel Gutes tat. Keiner, der in Not war, stieg vergeblich den steilen Weg zu ihrem unterirdischen Schloss hinauf. Sie half den Armen, sagte Schicksale voraus und vermochte mit ihrem Kräuterwissen viele Krankheiten zu heilen.
Die drei Söhne der Sibylle waren aber von anderem Schlag. Unhold, Raufbold und Saufbold waren üble Burschen, die es nicht lange bei ihrer Mutter aushielten und ihre eigenen Burgen errichteten. Der erste gründete seine Burg auf dem Rauber, der Zweite auf dem Wielandstein und der dritte die Diepoldsburg. Von diesen Felsnestern aus peinigten sie die Bauern und plünderten die vorbeiziehenden Kaufleute aus.
Aus Kummer über ihre missratenen Söhne beschloss Sibylle ihr unterirdisches Schloss und das Land zu verlassen. Auf einem goldenen Wagen, der von zwei riesigen Katzen gezogen wurde, fuhr sie eines Abends talabwärts in ein anderes Land und kehrte nie wieder zurück.
Jedes Jahr, wenn die Ackerfrüchte zu reifen beginnen kann man den Weg verfolgen, den sie genommen hat. Die Spur ihres Wagens ist deutlich zu sehen. Die Wiesen sind dort grüner, das Korn trägt größere Ähren und Äpfel, Birnen und Kirschen sind saftiger und süßer. Die Spur ihres Wagens nennt man heute noch die Sibyllenspur.
In Wirklichkeit geht die Spur auf eine römische Befestigungsanlage zurück, deren Gräben nach Abzug der Römer mit fruchtbarer Erde befüllt wurden.
Wahrzeichen von Tübingen
An der Ostseite der St. Georgen- oder Stiftskirche zu Tübingen befindet sich, wie in einer runden Fensteröffnung, das Bild eines aufs Rad geflochtenen Mannes eingemauert.
Darüber erzählt Crufius (um 1596) folgendes:
Als vor hundert Jahren zwei junge Gesellen und Kameraden auf die Wanderschaft zogen, um ihr Handwerk zu treiben, und der eine nach etlichen Jahren wieder zurückkam, der andre aber nicht, und man deswegen glaubte, er sei umgebracht worden, so wurde der erstere ergriffen und aus einigen Zeichen, zum Beispiel, weil man den Dolch des Andern bei ihm fand, für den Mörder gehalten, zum Tode verdammt und gerädert. Nicht lange hernach kam jedoch der andere lebendig, frisch und gesund nach Tübingen zurück. Den Dolch hatte er seinem Kameraden gelegentlich einmal geschenkt.
Darauf wurde zum ewigen Gedächtnis des Unglücklichen und zur Warnung vor voreiligem Todesspruch und Justizmord das Bild des geräderten Mannes in Stein gehauen und in die Kirchenmauer eingefügt.
Der Jäger von Hohenzollern
Eine Viertelstunde von Hechingen entfernt liegt die Heiligkreuzkapelle, bei welcher früher ein Bildstock mit einem Crucifixe stand.
Da war einmal ein Jäger der diente auf Hohenzollern bei dem Grafen Friedrich und wäre ein guter Schütz geworden; deshalb wollte er drei Pfeile auf jenes Kreuzbild abschießen; denn es hieß, wer das tue, der könne alles treffen, was er nur erreichen wolle.
Nachdem dieser Jäger nun zwei Pfeile dem Christusbilde in die Seite geschossen, schwitzte das Bild Blut aus.
Als der Schütz aber den dritten Pfeil auflegte, sank er bis an die Knie in den Boden, und die Erde hielt den Frevler so lange fest, bis dass er auf der Stelle enthauptet worden.
Dies geschah im Jahr 1390. Zwei Bilder in der Kapelle stellen diese Begebenheit dar.
In Stetten hat man noch langen das Christusbild mit den zwei Pfeilen aufbewahrt.
Quelle: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, gesammelt von Ernst Meier, Tübingen.